17
Was dies anbetraf, befand sich König John völlig auf Sams Seite. Er verlangte, daß die beiden ersten Waffen ihm und Sam ausgehändigt wurden und das nächste Dutzend an ihre Leibwächter ging. Anschließend sollte die neue Kampfgruppe ausgerüstet und trainiert werden.
Sam war ihm zwar dankbar für diese Rückenstärkung, nahm sich jedoch vor, darauf zu achten, wer in die Reihen der Pistoleros aufgenommen wurde. Er hatte kein Interesse daran, daß diese Truppe ausschließlich aus Männern bestand, die John treu ergeben waren.
Van Boom versuchte erst gar nicht, seinen Widerwillen gegen dieses Vorhaben zu verbergen. »Ich werde Ihnen was sagen«, meinte er wütend. »Ich nehme einen guten Bogen aus Eibenholz und ein Dutzend Pfeile und stelle mich fünfzig Yards entfernt von Ihnen allen auf! Auf ein Signal hin können Sie auf mich feuern – jeder von Ihnen mit einer Mark I ausgerüstet. Und ich werde jeden einzelnen von Ihnen umlegen, bevor Sie auch nur nahe genug an mich herangekommen sind, um mich zu treffen! Ist das ein Vorschlag? Ich bin mir so sicher, daß ich gewinnen werde, daß ich bereit bin, mein Leben dafür zu opfern!«
»Seien Sie nicht kindisch«, sagte Sam.
Van Boom hob den Blick zum Himmel. »Ich soll kindisch sein? Sie setzen die Existenz Parolandos aufs Spiel – und das Schiff –, nur weil Sie Pistolen haben wollen, mit denen Sie spielen können!«
»Sobald die Pistolen fertig sind«, sagte Sam, »können Sie all die Bogen herstellen, die Sie wollen. Schauen Sie, wir werden für die Pistoleros einfach Rüstungen herstellen! Macht das nicht schon Ihre ganze Argumentation hinfällig? Warum habe ich nicht sofort daran gedacht? Ja, unsere Männer werden Rüstungen tragen, die die Waffen unserer Gegner dorthin verweisen, wo sie hingehören: in die Steinzeit! Sollen sie doch meinetwegen weiterhin mit Bogen und mit Steinspitzen versehenen Pfeilen auf uns schießen. Sie werden den Rüstungen höchstens Beulen beibringen, während unsere Pistoleros in aller Seelenruhe nachladen und den Gegner in die ewigen Jagdgründe blasen!«
»Sie vergessen, daß wir einen beträchtlichen Teil unseres Erzes gegen Holz und andere Materialien, die wir brauchten, eingetauscht haben«, sagte van Boom. »Unsere Gegner werden also zumindest genügend Pfeile mit Eisenspitzen besitzen. Und die können auch Rüstungen gefährlich werden. Vergessen Sie nicht Grecy und Agincourt.«
»Mit Ihnen kann man einfach nicht vernünftig reden«, sagte Sam. »Sie müssen wirklich zur Hälfte Holländer sein. Sie sind stur wie ein Ochse.«
»Wenn Ihre Denkungsart repräsentativ für die weiße Rasse ist«, entgegnete van Boom, »dann kann ich mich nur glücklich schätzen, zur anderen Hälfte Zulu zu sein.«
»Nun seien Sie nicht gleich beleidigt«, erwiderte Sam. »Zur Konstruktion dieser Waffe kann ich Sie nur beglückwünschen. Warten Sie… wir könnten sie ebenso gut die >Van Boom-Mark I< nennen. Wie gefiele Ihnen das?«
»Ich würde meinen Namen nicht mit dieser Waffe in Zusammenhang gebracht wissen wollen«, meinte van Boom. »Also lassen Sie das. Ich werde Ihnen die zweihundert Pistolen machen, aber ich bestehe auf der verbesserten Version, von der ich eben sprach, der Mark II.«
»Machen Sie uns erst zweihundert von diesem Typ«, sagte Sam, »und anschließend die Mark II. Ich habe keine Lust, zuviel Zeit damit zu vergeuden, an einer perfekten Waffe herumzudoktern, um im Endeffekt dann festzustellen, daß es sie gar nicht gibt. Außerdem…«
Sie sprachen noch eine Weile über die Mark II, denn Sam hatte trotz allem ein Faible für technische Neuerungen. Auf der Erde hatte er selbst eine Reihe von Erfindungen gemacht und war dabei finanziell nicht schlecht gefahren. Allerdings war seine Fortschrittsgläubigkeit einmal zutiefst enttäuscht worden: Die Fehlinvestition in Paiges neuentwickelte Setzmaschine hatte nahezu alle Einkünfte aus seinen Buchpublikationen aufgefressen.
Sam dachte eine Weile über die vorsintflutliche Maschine nach, die ihn in die Pleite getrieben hatte, und hin und wieder verschwammen dabei die Gesichter Paiges und van Booms zu einem einzigen. Er bekam ein ungutes Gefühl und fühlte sich verunsichert.
Dann beschwerte sich van Boom über die Materialmengen und die Arbeitszeit, die in die AMP-1, den Prototyp ihrer Flugzeugindustrie, gesteckt wurden. Sam ignorierte ihn. Zusammen mit den anderen machte er sich schließlich auf zu dem nördlich von seinem Hauptquartier auf der Ebene gelegenen Hangar. Die Maschine war noch nicht fertig, aber auch auf ihrem Jungfernflug würde sie sich nicht viel von dem skelettartigen und zerbrechlich wirkenden Ding, das sie jetzt noch war, unterscheiden.
»Sie ähnelt einigen Flugzeugtypen, die man um 1910 herum baute«, erklärte von Richthofen. »Mein gesamter Oberkörper wird zu sehen sein, wenn ich im Cockpit sitze. Die Kiste sieht eigentlich mehr wie ein Flugdrachen aus, nicht wahr? Unsere Hauptaufgabe wird darin liegen, herauszufinden, wie der Motor auf den Methylalkohol reagiert, den wir als Treibstoff verwenden werden.«
Er versprach ihnen, daß der erste Flug in weniger als drei Wochen stattfinden könne, und zeigte Sam die Pläne für die Raketenwerfer, die man unter den Schwingen befestigen würde.
»Das Flugzeug kann etwa sechs kleine Raketen transportieren, in der Hauptsache aber für Aufklärungsflüge dienen. Es wird kaum mehr als vierzig Meilen gegen den Wind fliegen können, aber ich bin sicher, daß ich eine Menge Spaß dabei haben werde.«
Es brachte Sam etwas aus dem Konzept, daß die Maschine nur über einen Sitz verfügte, denn er war begierig darauf, den ersten Flug seines Lebens hinter sich zu bringen, oder auch seines zweiten Lebens, wenn man es genau nahm. Von Richthofen sagte, daß der zweite Prototyp auf jeden Fall ein Zweisitzer sein solle und daß Sam dann unbedingt die Rolle seines ersten Passagiers einnehmen müsse.
»Nachdem du sie getestet hast«, erwiderte Sam. Er hatte eigentlich erwartet, daß John nun protestieren und darauf bestehen würde, diese Ehre müsse als erstes ihm zuteil werden, aber nichts dergleichen kam. Anscheinend war er nicht allzu begierig darauf, den soliden Grund unter den Füßen mit der balkenlosen Luft zu vertauschen.
Den letzten Halt machten sie an der Schiffswerft, die auf halbem Wege zwischen dem Hangar und Sams »Brücke« lag. Das Schiff, das hinter den Palisaden seiner Fertigstellung entgegensah, würde innerhalb einer Woche einsatzbereit sein. Die Feuerdrache 1 stellte den amphibischen Prototyp einer Barkasse dar, nach deren Muster man die Arbeiten an ihrem großen Projekt in Angriff nehmen würde. Es war ein wunderbares Fortbewegungsmittel aus dickwandigem Magnalium, etwa zweiunddreißig Fuß lang, und besaß die Form eines U.S. Navy-Kreuzers mit Schaufelrädern und verfügte auf dem Oberdeck über drei Türmchen. Sie wurde mit Dampf angetrieben, verbrannte Methylalkohol und konnte sowohl zu Wasser als auch zu Land operieren. Ihre Mannschaft bestand aus elf Mann, und das ganze Schiff würde, so hatte Sam erklärt, unbesiegbar sein.
Er tätschelte die kalte graue Hülle und sagte: »Warum sollten wir uns darüber Gedanken machen, ob wir genügend Bogenschützen haben? Was brauchten wir schon, außer diesem Schiff? Dieser Moloch könnte jedes Königreich ganz allein zerschmettern. Er verfügt über eine dampfbetriebene Kanone, die weder die Erde noch dieser Planet jemals zu sehen bekam. Deswegen hat sie auch einen dermaßen großen Kessel.«
Alles in allem hatte der Kontrollgang ihn glücklich gemacht. Sicher, mit den Plänen für das große Flußschiff hatten sie gerade erst angefangen. Aber sie benötigten eben Zeit. Außerdem war es wichtiger, daß der Staat, den sie nun bildeten, sie in erster Linie beschützen konnte. Und die Vorbereitungsarbeiten machten Spaß. Sam rieb sich die Hände, zündete eine neue Zigarre an und inhalierte den grünen Rauch tief in seine Lungen.
Und dann sah er Livy.
Seine geliebte Livy, die so lange krank gewesen und schließlich 1904 in Italien gestorben war.
Ins Leben zurückgeholt, jung und schön wie einst – aber nicht für ihn zu haben.
Sie kam auf ihn zu und hielt einen Gral in der Hand. Ein scharlachrotkarierter Kilt schmiegte sich um ihre Hüften. Ein dünnes, weißes Kopftuch schlang sich um ihre Brust. Sie hatte eine zarte Figur, schöne Beine, anziehende Gesichtszüge, eine hohe und seidenweiße Stirn, große, leuchtende Augen und volle und wohlgeformte Lippen. Ihr Lächeln war attraktiv, und ihre Zähne klein und sehr weiß. Wie immer trug sie das dunkle Haar gescheitelt und vorne in die Stirn gekämmt, während es hinten zu einem Knoten verschlungen war. Hinter einem ihrer Ohren prangte eine der riesigen, rosenähnlichen, roten Blüten, die an den Ranken in den Eisenbäumen wuchsen. Ihre Halskette bestand aus den gleichfarbenen Gräten eines Hornfisches.
Sams Herz schien von einer unwiderstehlichen Kraft zusammengepreßt zu werden.
Als sie sich ihm näherte, winkte sie, und ihre Brüste wippten im Takt ihrer Schritte unter dem halbdurchsichtigen Stoff. Das war seine Livy, die stets so sittsam gekleidet gewesen war und zu ihren Lebzeiten auf der Erde nur sackartige Kleider getragen hatte, die vom Hals bis zu den Zehen reichten; die sich nie vor ihm entkleidet hatte, solange das Licht nach brannte. Sie erinnerte ihn plötzlich an die halbnackten Mädchen von den Sandwich-Inseln. Er fühlte sich unwohl und wußte auch weshalb. Seine Empfindlichkeit den Eingeborenen gegenüber hatte zum Teil daran gelegen, daß sie ihn unbewußt anzogen, obwohl er wußte, daß es zwischen ihnen keinerlei Brücke gab.
Livy hatte zwar eine puritanische Erziehung genossen, aber sie war davon nicht kaputtgemacht worden. Auf der Erde hatte sie es ebenso gelernt, dann und wann einen Drink zu nehmen wie Bier zu mögen; und hin und wieder hatte sie sogar geraucht und etwas zur Entwicklung des Landes zu sagen gehabt. Nicht daß sie revolutionäre Ansichten vertreten hätte – aber sie hatte zumindest an manchen Dingen ihre Zweifel artikuliert. Sie hatte sogar seine konstanten Flüche zu tolerieren gelernt und gelegentlich – wenn die Kinder aus dem Hause gewesen waren – selbst einen von sich gegeben. Was sie über seine im Entstehungsstadium befindlichen Bücher gesagt hatte, war für ihn ein Quell der Inspiration gewesen und hatte ihm eine Menge zu erwartender Strafprozesse nicht eingebracht.
Ja, Livy hatte immer schon große Anpassungsfähigkeit bewiesen.
Zu viel. Jetzt, nach einer zwanzigjährigen Abwesenheit, hatte sie sich in Cyrano de Bergerac verliebt. Und Sam wurde das ungute Gefühl nicht los, daß der wilde Franzose in ihr etwas erweckt hatte, das er hätte ebenso erwecken können, wenn er nur nicht so zurückhaltend gewesen wäre. Aber jetzt – nach so vielen Jahren auf dem Fluß und dem Genuß unzähliger Traumgummis – kannte er diese Selbstbeschränkungen nicht mehr. Und nun war es zu spät.
Es sei denn, Cyrano verließ diese Gegend…
»Hallo, Sam«, begrüßte sie ihn auf englisch. »Wie gehts dir an einem solch herrlichen Tag?«
»Jeder Tag hier ist schön«, erwiderte er. »Deswegen kann man nicht einmal über das Wetter reden, wenn man sich nichts anderes zu sagen hat.«
Sie lächelte bezaubernd. »Gehst du mit zum nächsten Gralstein?« fragte sie dann. »Es ist bald Mittagszeit.«
Er schwor sich jeden Tag aufs neue, ihr nicht zu nahe zu kommen, weil dies ihn zu sehr schmerzte, aber er ließ keine Gelegenheit aus, ihr so nahe wie nur möglich zu sein.
»Wie geht’s Cyrano?« fragte Sam.
»Oh, ausgezeichnet, zumal er nun doch noch zu seinem Rapier kommt. Bildron, der Waffenschmied, hat ihm versprochen, daß er das erste bekommen würde – nachdem du und die Ratsherren die ihren haben, natürlich. Er hatte sich bereits mit dem Gedanken, niemals wieder eine Klinge in der Hand zu halten, abgefunden, als er hörte, daß in dieser Gegend ein Meteorit heruntergekommen sein solle. Deswegen kamen wir her – und jetzt hat der größte Degenfechter der Welt endlich einmal die Chance, denjenigen Lügenmäulern, die seine Fähigkeiten anzweifelten, zu zeigen, daß sein Ruf nicht übertrieben ist.«
»Ich würde nicht sagen, daß die Leute Lügengeschichten über ihn erzählen, Livy«, erwiderte Sam. »Höchstens, daß einige Geschichten über ihn erzählen, die übertrieben sind. Ich kann immer noch nicht glauben, daß er einmal ganz allein zweihundert Degenfuchtler aufgehalten haben soll.«
»Der Kampf an der Porte de Nesle ist authentisch! Und es waren gar keine zweihundert Männer! Du bist derjenige, der übertreibt, Sam, so wie du es immer getan hast. In Wirklichkeit war es eine Bande von Meuchelmördern, die nicht einmal hundert Mann auf die Beine brachten, obwohl sie das ruhig hätten tun können. Selbst wenn es nur fünfundzwanzig waren: Tatsache ist, daß Cyrano sie ganz alleine angriff, um das Leben seines Freundes Chevalier de Lignieres zu retten. Er brachte zwei der Angreifer um, verwundete sieben und schlug den Rest der Halunken in die Flucht. Das ist die heilige Wahrheit!«
»Ich habe keine Lust, mich mit dir über die Vorzüge deines Mannes zu streiten«, erwiderte Sam. »Ich will mich mit dir über gar nichts streiten. Laß uns über die Zeiten reden, in denen wir glücklich waren – vor deiner Krankheit.«
Livy blieb stehen. Ihr Gesicht wurde zu einer Maske.
»Ich habe immer gewußt, daß du mir meine Krankheit übel nahmst, Sam.«
»Nein, das ist nicht wahr«, erwiderte er. »Ich glaube sogar, daß ich mich wegen ihr schuldig fühlte, als sei ich selbst derjenige gewesen, der sie verursacht hat. Ich haßte nicht nur mich deswegen, sondern auch alle anderen Menschen.«
»Ich habe nicht behauptet, daß du mich haßtest«, sagte Livy, »sondern daß du mir die Krankheit übelnahmst. Und das hast du mir auf viele Arten gezeigt. Oh, möglicherweise hast du geglaubt, dich edel, freundlich und liebenswert zu verhalten – und meistens warst du das ja auch; das warst du wirklich. Aber es kam oft genug vor, daß du aussahst, sprachst und gestikuliertest, wie… wie soll ich das nur genau beschreiben? Ich kann es nicht, aber ich weiß, daß du mir diese Krankheit übel nahmst und dich vor mir ekeltest.«
»Das ist nicht wahr!« schrie Sam so laut, daß sich mehrere Leute ihnen zuwandten.
»Was sollen wir uns darüber streiten? Ob es stimmt oder nicht, ist doch jetzt unerheblich. Ich habe dich damals geliebt und tue das in einem gewissen Sinn immer noch. Aber das kann man mit meiner damaligen Liebe nicht mehr vergleichen.«
Den Rest des Weges auf den großen, pilzförmigen Stein zu schwieg Sam. Die Zigarre schmeckte plötzlich, als habe man sie mit den Exkrementen eines Stinktiers gebeizt.
Cyrano war nicht in der Nähe. Er leitete die Bauarbeiten an einem Turm, von dem aus man später das Flußgebiet überwachen würde. Sam war glücklich darüber. Es war schon schwer genug, Livy allein zu treffen, aber wenn sie mit dem Franzosen zusammen war, konnte er nicht einmal seine eigenen Gedanken ertragen.
Schweigend trennten sie sich voneinander.
Eine hübsche Frau mit lieblichen, honigfarbenen Haaren gesellte sich zu ihm, und für einige Augenblicke war Sam sogar dazu in der Lage, seine Gedanken über Livy zurückzudrängen. Die Frau hieß Gwenafra. Sie war im Alter von sieben Jahren zu jener Zeit, als die Phönizier sich aufgemacht hatten, die Zinnminen in Übersee auszubeuten, in einem Land geboren worden, das Cornwall sein mußte, gestorben und aufgewacht in einer Gegend, wo niemand ihr frühzeitliches Keltisch verstand. Sie hatte sich einer Gruppe Englisch sprechender Leute angeschlossen, von denen einer jener Richard Francis Burton gewesen war, den Sam kurz vor der Ankunft des Meteoriten durch das Fernglas erblickt zu haben glaubte. Burton und seine Freunde hatten ein kleines Segelboot gebaut und waren den Quellen des Flusses entgegengefahren – wie man es von einem Mann, der sein halbes Leben damit verbracht hatte, die Wildnis Afrikas und anderer Kontinente zu erforschen, erwarten mußte. Auf der Erde hatte Burton nach den Quellen des Nils gesucht und statt dessen den Tanganjikasee entdeckt. Und auch auf dieser Welt hatte er sich aufgemacht, desgleichen zu tun: Er war aufgebrochen, nach den Quellen des größten Flusses aller Zeiten zu suchen, ungeachtet der Tatsache, daß er dabei vielleicht mehrere Millionen Meilen zurückzulegen hatte.
Nach etwas mehr als einem Jahr war sein Boot von unbekannten Schurken angegriffen worden, und einer davon hatte die kleine Gwenafra mit einem Messer getötet und in den Fluß geworfen. Am nächsten Tag war sie irgendwo an einem Ufer der nördlichen Hemisphäre erwacht, wo das Wetter kälter und die Sonne schwächer war und die Leute sagten, daß man von hier aus nicht mehr als zwanzigtausend Gralsteine hinter sich bringen mußte, um in Zonen zu gelangen, wo die Sonne stets halb über und halb hinter den Bergen schwebte: Dort sollten haarige, affengesichtige Menschen leben, die zehn Fuß groß waren und sieben- bis achthundert Pfund wögen. (Was der Wahrheit entsprach, denn einer der einst dort lebenden Titanthropen hieß Joe Miller).
Die Leute, unter denen sie von nun an lebte, sprachen Suomenkieltä, was Finnisch bedeutete. Flußabwärts von ihnen lebte ein friedfertiges Volk von dem zwanzigsten Jahrhundert entstammenden Schweden. Gwenafra war relativ glücklich bei ihren Pflegeeltern aufgewachsen, hatte Finnisch, Schwedisch, Englisch, einen chinesischen Dialekt aus der Zeit des 4. Jahrhunderts vor Christi und Esperanto gelernt. Eines Tages war sie bei einem Unfall ertrunken und wieder in dieser Gegend zu sich gekommen. Sie erinnerte sich noch immer gut an Burton und hegte die Kindheitserinnerung, die sie an ihn hatte. Dennoch war sie – realistisch wie sie war – dazu in der Lage, auch andere Männer zu lieben. Wie Sam gehört hatte, hatte sie sich gerade von einem getrennt. Sie befand sich auf der Suche nach einem Menschen, der treu sein konnte, und die waren auf dieser Welt nicht leicht zu finden.
Sie gefiel Sam sehr. Das einzige, was ihn zurückhielt, sie zu fragen, ob sie bereit sei, mit ihm zu kommen, war die Angst, er könne Livy verärgern. Diese Befürchtung war natürlich grundlos, denn solang sie mit Cyrano zusammenlebte, konnte sie nicht den geringsten Anspruch auf ihn geltend machen. Und hatte sie ihm nicht deutlich gezeigt, daß es ihr gleichgültig war, wie sein Privatleben aussah? Dennoch – bar jeder Logik – fürchtete Sam sich davor, sich einer letzten Chance zu berauben, seine Frau wiederzugewinnen. Er schaffte es einfach nicht, eine andere Frau zu bitten, mit in sein Haus zu kommen und seine Gefährtin zu sein.
Er unterhielt sich eine Weile mit Gwenafra und fand bestätigt, daß sie noch immer ungebunden war.